Als ich mich im Gespräch dafür entschied, über die „Arbeitsmoral“ der jungen Generation Z zu schreiben, wusste ich ja gar nicht, welche Fülle an Artikeln hierzu bereits existiert. Und zu diesem Zeitpunkt wusste ich auch noch nicht, welch wertvoller Beitrag von Justus dazu auf unserem Blog sein wird. Dennoch – ich sehe tatsächlich eine Nische, denn ich plane keinen wissenschaftlichen Artikel, sondern einen Erfahrungsbericht. Mir liegt dieses Thema aus verschiedenen Gründen sehr am Herzen. Ich beobachte und lese, dass sich junge Menschen immer weniger mit ‘traditionellen’ Unternehmen identifizieren können. Ich finde das schade, denn viele dieser Unternehmen sind das Rückgrat unserer Wirtschaft und gehen damit uns alle – ältere und jüngere Menschen – etwas an. Zudem arbeite ich in meinem Alltag sehr international mit Menschen aller Altersgruppen und Kulturen. Und ich liebe diese Vielfalt. Ich glaube daher, dass wir uns alle zuhören müssen, jung wie alt, um gemeinsam die Unternehmen zu schaffen, mit denen Identifikation möglich ist.
Ich stelle 4 Thesen oder Beobachtungen vor, und meine Sichtweise entspringt eher meiner Erfahrung als Arbeitnehmerin oder Vorgesetzte, ist somit also durchaus subjektiv. Hier also mein Versuch, die verschiedenen Perspektiven über die existierende oder nicht-existierende Arbeitsmoral der Generation Z zu beleuchten und ganz naiv mit eigenen Erfahrungen zu unterfüttern.
These 1: Die „jungen Leute“ kennen die preußische Arbeitsmoral ja gar nicht mehr – alles nur noch Anspruch, keine Flexibilität mehr und kein Einsatz
…. Naaaaaaja. Ich bin ja im Grunde froh, dass die preußischen Tugenden nicht mehr ganz so hoch im Kurs stehen, denn dazu gehören ja auch Hierarchiedenken und strikter Gehorsam. Und ehrlich gesagt: das passt ja in viele Unternehmen gar nicht mehr rein. Wenn wir heute darüber reden, wie Unternehmen auch in unsicheren VUKA-Zeiten erfolgreich bleiben, dann über Anpassungsfähigkeit, agiles Arbeiten, flache Hierarchien und Ideen, die jeder einbringen sollte. Wer solche Mitarbeiter:innen sucht, darf nicht gleichzeitig strammen Gehorsam, Einsatz bis in die Nacht und die blinde Akzeptanz von Vorschriften einfordern.
Vielmehr geht es um eine neue Definition von Arbeitsmoral und Leistungsbereitschaft. Statt Anweisungen sollten Rahmenbedingungen definiert werden, statt Kontrolle des Ergebnisses geht es hier vielmehr um die Reflexion desselben. Der Wunsch, gehört zu werden und sich einzubringen, bedeutet nicht, und sollte nicht so interpretiert werden, dass junge Mitarbeiter:innen bereits alles können. Vielmehr geht es um eine neue und wertschätzende Form der Befähigung: die eigenen Erfahrungen teilen und die gelernten Wege als Option in den Raum stellen und dabei offen sein für neue und oft clevere Ideen. Ich kenne dies aus meiner eigenen Praxis sehr gut und habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht.
These 2: Den „jungen Leuten“ wird die richtige Arbeitsmoral gar nicht mehr beigebracht
Der Arbeitgeber kann nicht das Elternhaus ersetzen, –muss aber mit den Auswirkungen klarkommen. Unsere Gesellschaft hat in den letzten Jahrzehnten vor allem auf den Komfort des Individuums geachtet – mit unserer Gesellschaft meine ich also meine eigene wertgeschätzte Altersgruppe. Wir “Alten” haben also selbst dafür gesorgt, dass es zunehmend weniger gesellschaftlichen Konsens in der Generation unserer Kinder, Neffen und Nichten darüber gibt, welche Haltung, welcher Einsatz richtig ist. Unternehmen können sich also nicht auf eine allgemeingültige Haltung zur Arbeit verlassen.
Moderne Unternehmen sollten also tatsächlich das bisherige Anspruchsniveau überdenken – und junge Arbeitnehmer:innen sollten sich überlegen, welchen Einsatz sie einbringen können und wollen. Gemeinsam geht hier recht viel. Ich erinnere mich sehr gut an meine Fassungslosigkeit, als ich das erste Mal ohne Vorwarnung Überstunden machen und meine Abendplanung über den Haufen werfen musste. Habe ich gemacht, mache ich bis heute aber so selten wie irgend möglich, ehrlich gesagt, aber wenn nötig dann schon. Und seit ich das erste Mal erlebt habe, dass ein früherer Chef mir Wochenendarbeit aufgebrummt hat, weil ein Kunde Freitag feststellte, dass er Montag früh etwas braucht – und es dann auf einmal doch nicht eilig war, erlaube ich mir hier entsprechende Nachfragen. Denn: Ein Arbeitsmodell, welches auf Ausbeutung der Freizeit setzt, ist nicht nachhaltig. Eine Mitarbeiter:in, der nicht zwischen sinnvollem und sinnlosem Mehreinsatz entscheiden kann, arbeitet nicht nachhaltig. Es muss beides zusammenpassen, das Geben und das Nehmen. Und hier sind Unternehmen und Vorgesetzte gefragt, diese Balance jungen Arbeitnehmern:innen als Lösungsweg aufzuzeigen.
These 3: Die „jungen Leute“ haben durch Klimawandel und Krisen keine Perspektive mehr, und wollen im Hier und Jetzt leben – und sind deshalb nicht mehr bereit, sich für das Unternehmen einzusetzen.
Das stimmt aus meiner Erfahrung nicht. Was stimmt: Die heranwachsende Generation hat nun mal zusätzlich zu Job, Familie und Co. auch krasse Zukunftsthemen auf dem Tisch. Und hätten wir „Älteren“ (ich habe inzwischen meine erste 5 vor der zweiten Zahl) dies nicht so bequem übersehen, wäre die Arbeitswelt damit schon viel früher konfrontiert worden. Im Idealfall könnten Arbeit und Klimaschutz kombiniert werden – ernst gemeintes Engagement von Unternehmen bietet hier Potenzial: Durch die Unterstützung sinnvoller Projekte, durch aktive Müll- und Energievermeidung oder sogar durch innovative Produkte und Services, die dem Klimaschutz oder der Reduktion von Emissionen dienen. Als ich mein Studium beendete, wurden Umweltbeauftragte in Unternehmen belächelt und hatten Alibi-Jobs. Warum eigentlich: Viele Ideen waren echt gut. Heute sollten alle Unternehmen einen gesellschaftlichen Mehrwert anstreben, einen Purpose (einen echten, keinen Marketing-Gag). Denn dieser hilft allen, aber vor allem jungen Leuten, die Ihr Leben noch vor sich haben, Lohn-Erwerbstätigkeit mit Zukunftsgestaltung unter einen Hut zu bringen.
These 4: Die „jungen Leute“ sind so achtsam, selbst optimiert und im Hier und Jetzt – da kommt der Arbeitgeber definitiv zu kurz.
Klar, wer alles unter einen Hut bringen will oder glaubt zu müssen, hat Stress, was an sich kein neues Phänomen ist. Burnout ist kein Modewort, dass sich so hübsch schreibt. Es ist eine ernsthafte Konsequenz von dauerhafter und zu großer Belastung. Die Elterngeneration der jungen Arbeitnehmer:innen war hier nicht immer ein gutes Beispiel und auch die Unternehmen keineswegs unschuldig.
Unternehmen stehen somit in stärkerer Konkurrenz zu alternativen Lebensmodellen und Arbeitsweisen als früher und sind sicherlich gefragt, hier eine sinnvolle Balance aus Fördern und Fordern, aus Einfordern und Ausruhen lassen und ja: auch aus einem sinnvollen monetären Anreizmodell zu bieten. Ich sehe junge Leute in Unternehmen, als junge Angestellte oder Praktikanten, die durchaus Hürden und Einsatz auf dem Weg zur Anstellung oder zum Praktikum auf sich genommen haben und die echt motiviert sind – und auch solche, die auf diesem Weg den Glauben daran verloren haben, dass sie zu irgendeinem Unternehmen passen; sei es, weil Unternehmen echt zu anspruchsvoll sind oder weil die Vorstellungen doch zu naiv waren.
Das ist schade – und muss nicht sein. Alumni- und Mentoren-Programme sind hier für Unternehmen mögliche Ideen, in einen konstruktiven Dialog einzutreten, realistische und unrealistische Ideen und Forderungen beider Seiten zu diskutieren und somit geeignete Jobangebote zu definieren. Denn es gibt junge Menschen, die vielleicht überzogene Ansprüche an die Work-Life Balance haben, mag sein. Aber es finden sich in den Jobbörsen auch immer wieder herrliche Beispiele für Talente, die Unternehmen suchen, mit unfassbar langen Anforderungslisten, was die Leute können, machen, leisten, gestalten sollen – für ’nen Appel und ’nen Ei. Die sind zwar witzig zu lesen, wenn man gerade nicht auf Jobsuche ist, aber ebenfalls unrealistisch. Hier besteht definitiv Gesprächsbedarf auf beiden Seiten.
Es ist also Zeit für einen Dialog. Zwischen den Unternehmen, die sich selbst fragen müssen, was sie für kommende Generationen interessant macht. Und da sind junge Leute, denen auch schwant, dass auch bereits länger bestehende Unternehmen wichtig für sie sein könnten und Start-Ups nicht das allein-selig-machende Rezept sind.
Ich stimme Justus von Herzen zu – es kann keine Generation über einen Kamm geschert werden, wir sind Individuen. Ich plädiere aber dennoch für einen Dialog, in dem sowohl tradierte als auch innovative Denkmodelle kritisch hinterfragt werden.
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